Sollte man nach den Festtagen den Körper entgiften?
Die Adventszeit ist die Zeit des Geniessens: Guetzli, Glühwein und mehrgängige Festtagsmenüs stehen auf dem Programm. Nach den Feiertagen fühlen sich viele dann überessen, müde, schlapp und ungesund. Das üppige Essen und der Alkohol hinterlassen meist auch äusserlich ihre Spuren: Unreine Haut, ein fahler Teint und eine verlangsamte Verdauung sind keine Seltenheit.
Viele raten dann zu einer Entgiftungskur, um den Körper wieder auf Vordermann zu bringen und startklar fürs neue Jahr zu machen. Dr. sc. nat Vanessa Craig (38), Gründerin von Formettā und Ärztin für biomedizinische Forschung bei der rivr-Klinik, sieht das anders. Die Expertin in Sachen Ernährung ist überzeugt: «Ich bin kein Fan von Entgiftungskuren. Man sollte dem Körper jeden Tag die Möglichkeit geben, sich zu regenerieren, indem man sieben bis acht Stunden schläft und zwölf bis 16 Stunden lang nichts isst.» Die Ärztin bezeichnet Detoxdiäten als Modediäten. Aus medizinischer Sicht seien sie Unsinn: «Eine Entgiftungsdiät führt nicht zu nachhaltigen gesundheitlichen Veränderungen, und es gibt kaum Beweise dafür, dass sie Giftstoffe aus dem Körper entfernt.»
Craig glaubt fest an zeitlich begrenztes Essen. Und das nicht nur um die Festtage herum. «Das bewusste Hinauszögern des Essensbeginns am Morgen und das frühere Aufhören am Abend ist eine grossartige Möglichkeit, die Gesundheit zu stärken, und sollte das ganze Jahr über praktiziert werden», sagt die gebürtige Australierin.
Das tut dem körperlichen Wohlbefinden gut
Die Ärztin kennt neben dem zeitlich begrenzten Essen weitere Tipps, die nun während der Festtage helfen können, aber auch unter dem Jahr dem Körper guttun und für ein harmonisches Wohlbefinden sorgen. Craig nennt die folgenden Punkte:
1. Verdrängen: Der Verzehr von Ballaststoffen, Eiweiss und Fett vor der Kohlenhydratzufuhr kann den Blutzuckeranstieg im Körper senken, denn der Körper wird so schneller gesättigt. Der heimtückische Grund, warum man uns im Restaurant zuerst Brot gibt: Es macht uns tatsächlich hungriger! Verarbeitete Kohlenhydrate wie Brot, Chips und Kekse lösen im Körper die Reaktion «Gib mir mehr!» aus. Bringt man bewusst mehr Gemüse und nährstoffreiches Eiweiss auf den Teller, kann man schlechteren Lebensmitteln eher widerstehen. Diese «Verdrängungsstrategie» bedeutet, dass man auf natürliche Weise weniger essen wird.
2. Langsamer essen: Isst man langsamer, kann das helfen, weniger zu essen und besser zu verdauen. Denn kaut und schluckt man gründlich, kann das Sättigungssignal der Magenhormone das Gehirn erreichen und den Appetit zügeln, bevor man zu viel zu sich nimmt.
3. Schlaf ist wichtig: Studien haben gezeigt, dass schlechter Schlaf den Appetit und die Kalorienaufnahme steigern kann. Selbst eine einzige Nacht mit schlechtem Schlaf erhöht nachweislich den Appetit am nächsten Tag.
4. Ausreichend Bewegung: An den Feiertagen wird oft gefaulenzt. Man sollte aber unbedingt darauf achten, sich während der Festtage viel zu bewegen. Nach den Mahlzeiten kann man lange Spaziergänge einplanen. Auch sollte man, wann immer möglich, versuchen zu stehen statt zu sitzen.
5. Aber das Wichtigste zum Schluss: Die Familie und Dankbarkeit sollte im Mittelpunkt stehen – und darauf sollte man sich im Endeffekt konzentrieren.
Beachtet man all diese Punkte, kann man laut Craig während dieser festlichen Zeit im Jahr eine Menge Spass mit der Familie und Freunden haben. «Es geht darum, Weihnachten vernünftig und ausgewogen anzugehen.» Von einer anschliessenden Entgiftungszeit rät die Ärztin betont ab.
Zucker macht süchtig
Trotz all dem guten Willen sollte man sich aber zwischendurch auch etwas Zucker gönnen. Schliesslich soll der Dezember ja auch die Krönung eines Jahres sein, man stösst mit Glühwein an und knabbert zu Weihnachtsfilmen an selbstgebackenen Guetzli. Lebensqualität pur!
Schlägt man aber über die Strenge mit dem Zucker, und das ständig, kann das fatale Folgen für den Körper haben, wie Craig erklärt: «Übermässiger Zuckerkonsum kann zu Typ-2-Diabetes, Fettleibigkeit und Herzkrankheiten führen. Es ist ausserdem bekannt, dass Zucker unser Krebsrisiko erhöht sowie die schlechten Bakterien in unserem Darm ernährt, was zu Entzündungen und chronischen Krankheiten führt.» Weiter führt die Expertin im Bereich Ernährung aus: «Zucker baut Kollagen ab, was den Alterungsprozess beschleunigt. Es hat sich auch gezeigt, dass Zucker stärker süchtig macht als Kokain.»
Craig rät dazu, das Jahr 2022 für einen Neuanfang zu nutzen und den Konsum von raffiniertem Zucker sowie verarbeiteten Lebensmitteln, die meist eine Menge des Süssstoffes enthalten, zu reduzieren. «So kann man den Alterungsprozess effektiv verlangsamen sowie das Risiko für Krebs, Schlaganfall, Alzheimer, Herzkrankheiten, Fettleber, Fettleibigkeit und Diabetes senken.»